Bericht zur Braunschweiger Eisfahrt am 05.12.2020

Der folgende Bericht erzählt von furchtlosen Saxonen, die allen Widrigkeiten getrotzt und eine Eisfahrt von Wolfenbüttel nach Braunschweig in die Tat umgesetzt haben.
Jedes Jahr im Dezember findet normalerweise die „Rintelner Eisfahrt“ statt, zu der sich stets ein paar Saxonen aufmachen, die Lust haben, gegen menschenunwürdige Verhältnisse auf der Weser zu kämpfen und sich durch Wellenberge und Regenstürme zu schlagen. Wenn nun aber Corona die ganze Welt in die Knie zwingt, muss es Alternativen geben. So kam die Idee von Galahad, diese Fahrt in die eigene Region zu verlegen. Auch hier haben wir Kälte, Wasser und die entsprechende Ausrüstung, sodass eine vergleichbare Tour organisiert werden konnte. Es sollte also losgehen.
Am Abend vorher habe ich ausprobiert, ob über die Strumpfhose und die Leggins auch die Schneehose und darüber die Segelhose passen und weiterhin eine Bewegungsfreiheit erlauben. Obenrum sollten ein Pulli mit Fleece und eine Regenjacke die Kälte und das Wasser abhalten. Alles wurde bereitgelegt, da es am nächsten Morgen verhältnismäßig früh losgehen sollte.
Treffpunkt war um kurz vor acht an der Saxonen-Wohnung. Als mein weißer Skoda die Wohnung erreichte, saß der Anhänger für die Kanus bereits im Efeu fest. Es brauchte ein paar Züge vor und zurück und reichlich Aufregung über die parkenden Fahrräder, bis der Anhänger im Hof in Position stand und die ersten Spanngurte bereitgelegt werden konnten. Ein Kanu für zwei und der Kanadier für drei Personen wurden fachmännisch verladen und festgeschnallt. Die Paddel waren ebenso wichtig und nachdem auch der letzte Rucksack im Kofferraum seinen Platz gefunden hatte, konnte die Gruppe aus Morvoice, Pippi, Irma, Galahad und Sporty mit den Fahrern Hägar und Jonas den sicheren Hafen verlassen und sich auf den Weg Richtung Wolfenbüttel machen. Die Fahrtzeit betrug etwa 20 Minuten, doch nach fünf Fahrminuten erreichte uns die erste Nachricht von Pippi, die bei Hägar mitgefahren war, dass dieser für sein Auto am Bohlweg Halt machen musste, um sein Wasser gegen die Überhitzung des Motors aufzufüllen. Wir erreichten schließlich jedoch fast gleichzeitig den Startpunkt in Ohrum.
Leider mussten wir schnell feststellen, dass der Wasserspiegel so gering war, dass wir die Kanus nicht wie geplant einsetzen konnten, sondern zu einer Stelle ein Stück weiter ausweichen mussten. Dies funktionierte dank Hägars Hilfe unerwarteterweise ohne weitere Zwischenfälle und so verabschiedeten wir uns nach den letzten Gruppenfotos von Hägar und begannen unsere Reise.

Voll motiviert stachen wir mit unseren Paddeln in die flache Oker und schoben uns durch das Wasser. Zunächst fuhren Pippi und ich zusammen im Kanu, während Galahad als Steuermann Irma und Morvoice vor sich im Kanadier hatte. Die Stimmung hätte nicht besser sein können. Wir sahen Eisvögel, aßen leckere Kekse von Pippi und Irma und sangen das ein oder andere Weihnachtslied. Die Spaziergänger von „außen“ winkten uns freundlich zu, auch wenn sie sich sicher fragten, was wir zu dieser Jahreszeit auf der Oker zu suchen hatten.
Ein Spaziergänger war besonders besonders. Er hatte weiße Haare, eine Brille und kam uns recht bekannt vor. Hägar. Nach etwa einer dreiviertel Stunde stand er mit Mandarinen in der Hand unter einer Brücke und warf jedem von uns eine seiner orangenen Zitrusfrüchte zu. ´Diese Tradition dürfe doch auch nicht verloren gehen`, hieß es. Wir freuten uns sehr über diesen Zwischensnack, bedankten uns herzlich bei Hägar und setzten unsere Reise fort.
Schon wenig später wartete die nächste Überraschung auf uns. Goldie hatte über den Stammtisch von unserer Planung erfahren und sich daraufhin mit dem Organisator Morvoice verabredet. So stand sie eine halbe Stunde später mit Fahrradanhänger und Mann auf einer der nächsten Brücken. Ein paar Paddelschläge begleiteten sie uns, bis wir in Wolfenbüttel am Wehr ankamen. Dort bereitete uns Goldie ein Mahl aus Laugengebäck und Lebkuchen und versorgte uns mit heißem Glühwein, Kaffee und Kinderpunsch. Wir konnten uns stärken, ein bisschen erzählen und die Möglichkeit eines außergewöhnlichen Treffens nutzen. Der nahegelegene Spielplatz musste natürlich auch inspiziert und die auf Kindergröße eingestellten Geräte erprobt werden. Mit großem Dank an Goldie verabschiedeten wir uns etwas später und begannen, die Boote auf die andere Wehrseite zu tragen. Was bei der Probetour von Morvoice, Pippi und Galahad kein großes Hindernis gewesen war, stellte sich diesmal als größeres Problem dar. Dass der Wasserstand niedrig war, hatten wir bereits mitbekommen. Doch an dieser Stelle war es fast unmöglich, auch nur „einen Finger breit Wasser unterm Kiel“ zu haben. Das Kanu mit Pippi und Morvoice rutschte als erstes in das vermeintliche Wasser und saß nach einem Meter fest. Die beiden schoben sich mit viel Krafteinsatz über Steine und Schlick, bis sie schließlich wieder ins Gleiten kamen. Da der Kanadier jedoch um einiges schwerer war, musste eine andere Lösung her. Es hatten sich bereits Zuschauer auf der Brücke über uns versammelt, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Auch Goldie stand noch oben und drückte uns die Daumen. Wir lösten unser Problem mit der Verschiebung des Kanadiers in die Mitte des Zulaufs. Die Schwierigkeit war jedoch nun, trockenen Fußes in das Boot zu kommen. Galahad konnte mit seinen wasserfesten Schuhen problemlos über die überfluteten Steine laufen. Auch meine Schuhe hielten dem flachen Strom (von etwa 2 cm Tiefe) für ein paar Momente stand. Leider hatte Irma jedoch nur ihre Turnschuhe an, sodass sie das Boot schließlich auf meinem Rücken erreichte. Die Erleichterung und der Erfolg über die gemeisterte Situation waren groß und so starteten wir, um weiter stromabwärts auf das nächste Hindernis zuzufahren. Von diesem wussten wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nichts und so winkten wir den Zuschauern zum Abschied zu und verließen dann Wolfenbüttel. Wir fühlten uns gestärkt und erinnerten uns an das Ziel, vor der Dunkelheit in Braunschweig anzukommen. Also beschleunigten wir unsere Paddelzüge etwas.
Wir paddelten solange, bis wir nicht mehr paddeln konnten.
Ein Meer aus Müll und Gehölz tat sich vor uns auf. Zunächst erschien uns diese Aufgabe lösbar und wir fühlten uns wie Eisbrecher in der Arktis. Doch diese Vorstellung wurde schnell zerstört, als es auch mit den größten Kraftanstrengungen kein Vorankommen mehr gab. Da half es uns auch nichts, dass wir Unmengen an Pfanddosen und -flaschen einsammelten. Es hatte keinen Sinn. Wir mussten aussteigen und den Kanadier über den Müllberg herüberziehen. Pippi und Morvoice hatten mit rhythmischen Schubbewegungen etwas mehr Erfolg und kamen zumindest bis zur Hälfte der grün-silbernen Masse. Ein Glück haben wir ein langes Seil am Kanadier, welches ich den beiden zuwerfen und sie somit aus dem Schlamassel herausziehen konnte. Auch der Kanadier konnte schließlich mit dem Seil bewegt werden. Es ist übrigens alles auf Bildern dokumentiert.

Nachdem wir den Wolfenbütteler Müll hinter uns gelassen hatten, freuten wir uns auf die nun kommende entspannte Heimfahrt. Doch an der nächsten Brücke wartete schon die nächste Überraschung. Wer hätte es erwartet, aber auch drei Stunden Wartezeit (gefüllt mit dem Treffen mit Goldie, der zurückgelegten Strecke und der Müllhaldensituation) hielten Hägar nicht davon ab, auch diese Brücke zu einer Mandarinenbrücke zu machen und uns wiederum jedem eine zuzuwerfen. Was für eine Anteilnahme. Er beschwerte sich etwas über unsere Verspätung, aber wer hätte damit rechnen können, dass uns Müll über 20 Minuten kosten könnte.
Die restliche Fahrt verlief dann vergleichsweise ruhig. Wir quatschten, tauschten Handschuhe, um unsere Finger zu wärmen, überlegten, wie sich wohl die Weihnachtszeit gestalten würde und ließen uns währenddessen von der Strömung Richtung Braunschweig treiben. Wir fuhren an dem uns nun sehr bekannten Südsee vorbei und kamen langsam auf unser eigenes Wehr am Bürgerpark zu. Und nun ja, was soll ich sagen. Unser Hägar stand schon bereit und erwartete uns zum dritten Mal. Diesmal zur Wasserrutsche. Er machte Fotos von unserer Abfahrt, die gar nicht so entspannt verlief, wie wir das sonst gewohnt sind. Der geringe Wasserstand machte es schwierig, das Boot in seiner Bahn zu halten.

Umso entspannter wurde die restliche uns sehr bekannte Strecke. Wir trafen auf der ganzen Fahrt drei weitere Paddler und nach insgesamt achteinhalb Stunden kamen wir wieder in Braunschweig am Gaußpark an. Es war nicht das einfachste, die Boote über den Steg zu verlassen, der quasi über unseren Köpfen hing, da dort das Wasser ebenfalls so flach war. Aber wir schafften es alle und konnten uns vor Sonnenuntergang mit allen Booten auf den Heimweg machen. Wieder an der WG angekommen wartete schon die fertige Erbsensuppe von Sonorous auf uns. Wir stellten schnell die Bierzeltgarnitur bereit, sodass das Festmahl beginnen konnte. Sonorous servierte uns eine eigens kreierte Erbsensuppe mit Schwemmklößen, die sie extra morgens um acht Uhr schon vorbereitet hatte. Die Suppe schmeckte wunderbar und wärmte die erfrorenen Körperteile von innen wieder auf.

So gestärkt konnten wir dann zügig die Boote säubern, wieder in den Schuppen sortieren und uns dann jeder in seiner Wohnung in den wohlverdienten Feierabend entlassen.
Vielen Dank an dieser Stelle für die Idee, die Organisation, die Snacks, Zwischenstationen und insgesamt einen „meeega coolen“ Tag mit viel Action.

Eure Sporty Morty